FDP für Angebote statt Verbote – Mobilitätsdebatte im Gemeinderat

Rede von Dr. Matthias Oechsner in der Generaldebatte um Mobilität im Gemeinderat Stuttgart vom 19.04.18

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren Kollegen,

sehr geehrte Zuhörer hier und im SWW,

es gibt wenige Dinge, die ich neben meiner Familie, meinem Beruf und diesem Ehrenamt noch unterbringen kann, aber wie viele andere Menschen neige auch ich zum Sammeln. Zwei Dinge. Zum einen sammle ich Achterbahnfahrten, zugegebener Maßen eine sehr eingeschränkte Form der Mobilität, aber eine Leidenschaft, nach der ich meine Urlaube plane und ausrichte. Zum anderen trage ich alles was ich finden kann im Bereich Science Fiction zusammen. Bücher, Mangas, Comics und natürlich Filme und ich finde es immer wieder erstaunlich, dass das Thema Mobilität und Verkehrschaos auch in diesem Genre oftmals einen breiten Raum einnimmt. Denken wir nur einmal an das vielschichtige Verkehrsaufkommen im 5. Element! Sogar im sonst eher sterilen Star Wars Universum finden wir in den unteren Ebenen des Stadtplaneten Coruscant ein unglaubliches Verkehrschaos. Warum erwähne ich das? Weil Mobilität, zumal die individuelle Mobilität, seit Erfindung des Rads vor tausenden von Jahren, eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit ist und die Auswirkungen dieser Errungenschaft auf Städte, Natur und Umwelt nahezu alle Bürger umtreibt, auch in Zukunftsvisionen und in gewisser Weise geht es heute ja auch darum – um die Zukunft. Mobilität ermöglicht es uns aus unserem Geburts- bzw. Wohnumfeld auszubrechen und den Horizont zu erweitern. Heute haben wir Möglichkeiten, die noch vor hundert Jahren undenkbar gewesen wären, nicht nur was die Erreichbarkeit ferner Länder angeht, kaum einer hätte so ausführlich aus der Stadt Wien berichten können, wie das heute immer gern gemacht wird. Mobilität erweitert unsere Möglichkeiten wie wir unsere Wohn- und Arbeitswelten an unterschiedlichen Orten realisieren können.

Nicht zuletzt die Erfindung des Automobils hat zu dieser Entwicklung beigetragen und daher ist es nicht verwunderlich und darf den vorangegangenen Generationen nicht angelastet werden, dass für die autogerechte Stadt – Land – viel getan wurde.

Dies gilt nicht nur für die Automobilhauptstadt Stuttgart, aber bedingt durch die Lage unserer schönen Stadt sind die Probleme hier besonders. Besonders anspruchsvoll, besonders gravierend und besonders schwer zu lösen.

Wenn ich hier jetzt die Umweltproblematik ausklammere, auch weil die Interpretation der Feinstaub und Umweltgifte mannigfache Spielräume lässt, die je nach Standpunkt zu einer absoluten Verteufelung oder zu einem vernachlässigbaren Anteil des Automobils führen, soll das nicht heißen, dass die Freien Demokraten in diesem Punkt unsensibel sind.

Aber heute möchte ich lieber zu einem verbindenden anstatt zu einem entzweienden Thema beitragen.

Wie schaffen wir es das hohe Gut individueller Mobilität in den nächsten Jahren zu erhalten, bzw. wiederherzustellen und wie stellen wir uns Mobilität in der Zukunft vor?

Lassen Sie mich einen kurzen Blick auf unsere Gemeinderatsgruppe werfen, von dreien haben zwei einen oder mehr eigene PKW, zwei nutzen vorwiegend die SSB zur Bewegung innerhalb der Stadt, alle sind bei Car2go registriert, einer auch bei CallaBike, eine hat noch eine Vespa und einer, zu unabwendbaren Fahrten, ein E-Fahrzeug, für welches übrigens nach wie vor ein Parkplatz benötigt wird. Und ich möchte daher schon erwähnen, dass wir es natürlich für unsinnig halten, Parkraum in der Innenstadt zurückzubauen ohne vorher Möglichkeiten zum innenstadtnahen Parken z.B. in Form von Parkgaragen verbunden mit einem funktionierenden Parkleitsystem zu schaffen. Ebenfalls möchte ich an dieser Stelle betonen, dass wir die Einschätzung teilen, dass die Elektromobilität einen hohen Beitrag zur Luftreinhaltung in der Stadt leisten kann, da der Betrieb nahezu lokal emissionsfrei ist – Bremsen und Räder hat ein solches Fahrzeug natürlich auch noch – wir aber schon auf die Probleme der Herstellung und Entsorgung der heute verwendeten Energiespeicher hinweisen möchten und daher die zur Zeit eingesetzte Elektromobilität eher als Übergangstechnologie betrachten.

Verlassen wir die Stadt, dann mit allem was geht: Auto, Bahn und Flugzeug. Denn das ist die individuelle Freiheit bei der Wahl des Verkehrsmittels und so stellen wir uns Mobilität vor!

Aber meine Damen und Herren, wir dürften und müssten uns eigentlich alle einig sein, dass wir vor einem Kollaps der Verkehrssysteme im Ballungsraum Stuttgart stehen, wenn wir diesen nicht schon erreicht haben.

In Spitzenzeiten sind alle Verkehrssysteme nahezu ausgelastet und die Umfahrung der Stadt ist deutschlandweit bekannt und berüchtigt. Stau auf den Straßen, dem oft genug auch der Bus zum Opfer fällt sind an der Tagesordnung, aber auch in den Stadtbahnen ist es nur ein bedingtes Vergnügen morgens zur Arbeit zu fahren, außer man wohnt an der Endhaltestelle oder man genießt es, nicht umfallen zu können.

Was wäre aus unserer Sicht also zu tun und wie? Klären wir aber zuvor die Möglichkeiten bzw. die möglichen Ansatzpunkte. Gehen wir davon aus, es wäre ein gemeinsames Ziel 25-50% aller Autofahrten im Stadtgebiet in Zukunft zu vermeiden, gibt es zwei Alternativen, dies zu erreichen: Verbot und Angebot. Es wird Ihnen unschwer ersichtlich sein, welchen Ansatz wir Freien Demokraten verfolgen möchten, denn wir sind fest davon überzeugt, dass gute Angebote auch genutzt werden, Verbote jedoch oftmals kontraproduktiv wirken.

Ohne eine Rangfolge der Maßnahmen aufzuführen glauben wir, dass es von großer Wichtigkeit ist, den individuellen Personen- und den Last- Durchgangsverkehr durch die Stadt auf ein Mindestmaß zu reduzieren was natürlich mit einem Ausbau der Nordumfahrung und der Filderauffahrt einhergeht.

Vor dem Hintergrund, dass nahezu die Hälfte aller PKW-Bewegungen in der Stadt unter 5km rangieren, halten wir einen forcierten Ausbau von Quartiers- bzw. Ortsbussen für unabdingbar, die sowohl als Zubringer zu den Bahnen des VVS als auch als innerörtliche Alternative zum eigenen Fahrzeug geeignet sind. Es dürfte vielen hier klar sein, dass nur wenige in Stadteilen wie Botnang oder Feuerbach zu Fuß bzw. mit dem Rad aus der Ortsmitte bzw. von der Stadtbahn mit ihrem Einkauf in die Hänge geht. Zum Glück gibt es in beiden Orten einen Ortsbus, in Botnang sogar rein ehrenamtlich betrieben, der nicht nur von älteren Mitbürgern, sondern zunehmend auch von Jüngeren genutzt wird. So sehr wir das ehrenamtliche Engagement der botnager Fahrerinnen und Fahrer auch schätzen, ein tragbares Modell für ganz Stuttgart ist dies natürlich nicht, sondern der Ausbau gehört in die Hände der SSB, die mit Klein und Midi-Bussen die Stadteile versorgen könnte.

Wir sind der festen Überzeugung, dass dies zu einer spürbaren Entlastung des Straßenverkehrs beitragen würde, zumal ein einheitliches Tarifsystem in welches auch die Ortsbusse eingebunden wären einen weiteren Anreiz darstellen könnte.

Die anstehende Tarifreform ist ein Schritt in die richtige Richtung, die Fahrpreise werden sinken und das neue System erhält die Einfachheit, die niemanden mehr vom Benutzen des ÖPNV abhalten. Allerdings muss unserer Meinung nach gleichzeitig der Ausbau des schienengebundenen Verkehrs mit Nachdruck vorangetrieben werden. In einem ersten Schritt mit Taktverkürzung wo nötig und flächendeckendem Einsatz von Doppelzügen wo möglich.

Meine Zeit ist nahezu um, ein paar Worte zur Finanzierung möchte ich jedoch noch sagen.

Unserer Meinung nach kann der Umbau des Autolands Deutschland in ein multimodales Mobilitätsland in dem alle Verkehrsarten gleichberechtigt nebeneinander existieren, nicht alleinige Aufgabe der Städte, Gemeinden und Landkreise sein, zumal es noch gar keine Möglichkeit zur Erhebung kommunaler Abgaben für den Nahverkehr gibt und wir zusätzlichen Abgaben auch kritisch gegenüberstehen.

Vielmehr halten wir dies für eine gesamtstaatliche Aufgabe und wenn der Bund, wenn auch nur reflexartig aber immerhin, den ticketlosen Nahverkehr in einigen Modellstädten finanzieren möchte, warum finanziert er dann nicht den Betrieb des ÖPNV aus dem bereits vorhandenen solidarischen Abgabesystem, dem Steuersystem, mit? Gleiches gilt natürlich für die Länder, die zumindest beim Part Luftreinhaltung auch in der Pflicht stehen und diese Aufgabe wird noch einige Jahre Bestand haben.